Nach einer Woche voller persönlicher Tragödien, nach zwei Tagen voller Händeschütteln, Belanglosigkeiten, Fachgesprächen und mühsamem Aufrechterhalten der eigenen Fassade hätte ich Ruhe und Entspannung sicher nötig gehabt. Einen ruhiger Rückzugsort, ein Park, ein Kino, eine Massage, ein Platz an dem ich alles was war und ist für eine Weile hätte hinter mir lassen können, wäre sicher genau das Richtige gewesen. Mich unterwegs absetzen zu lassen um in dieses Kaffee zu gehen und der Vergangenheit ins Auge zu blicken, wäre mit Sicherheit das Blödeste gewesen, was ich hätte tun können. Also tat ich es. Aber die innere Unruhe besiegte mich; unfähig, einen Blick auf mich selbst zu werfen und auf das, was vor mir lag, ging ich die Strasse hinunter wie damals. Nur diesmal auf der anderen Strassenseite; unsicher, was mich erwarten würde, unsicher, was ich mir erwartete, zu viel und zu wenig, das mir durch den Schädel pochte. Nach dem eigenartigen Markt, dessen Läden immer geschlossen zu sein scheinen, hielt ich an und sah hinüber. Wie in diesem Comic früher, wo man dieses aufgeschnittene Haus sah, und den Unsinn, den alle Bewohner anzustellen pflegten. Rot und gelb und Bewegung und Leben. Kurz habe ich überlegt, hinzugehen, an die Scheibe zu klopfen, und... Ja. Das war das Problem. Was sagen? Ich fühlte mich ausgequetscht, ausgeleert, ausgesaugt, kaum fähig zur Wahrnehmung, noch weniger zur Interaktion.
Die Tatsache, dass wir uns alle in demselben geographischen Raum befanden, würde kaum mehr als eine theoretische Bedeutung haben; keiner dieser Menschen gehörte einem Feld der Realität an, mit dem mir irgendeine Form von Interaktion möglich war; sie hatten in meinen Augen keine grösere Existenz, als wenn sie Bilder auf einer Kinoleinwand gewesen wären, eher noch eine geringere, würde ich sagen.
Eine zeitlang stand ich dort, und konnte mich scheinbar nicht mehr erinnern, wie meine Beine funktionieren, unschlüssig, hingeworfen, fehl am Platz. Ich musste an die Seinfeld-Folge denken, in der George erklärt wird, dass er auf dem Höhepunkt abtreten soll, nicht weiter sitzen bleiben, bis sein Unterhaltungskoeffizient gegen null tendiert. Ein dämlicher Gedanke. Aber ich bin ohnehin die meiste Zeit über froh, das Menschen keine Gedanken lesen können. Nur manchmal nervts mich. Auf meinem Rückweg, durch die Unterführung, vorbei an dem Cafe, in die U-Bahn fragte ich mich, was ein vernünftiger Mensch wohl getan hätte. Müßig, ein vernünftiger Mensch wäre gar nicht hier gewesen. Vermutlich war es das Beste, einfach zu gehen, wo ich ohnehin unzurechnungsfähig war. Die Liste wurde länger, und das, was ich für mein Leben hielt, entfernte sich ein Stückchen von mir. Wie üblich. Womöglich lag der größte Irrtum darin, was ich für mein Leben hielt.
Manchmal habe ich Angst, dass ich wie George bin. Dabei wäre ich viel lieber Kramer.
Ich befand mich mitten im Nichts, die Luft war lau, und ich wäre gern zu irgendeiner Schlussfolgerung gekommen.